Mittwoch, 29. August 2012

Hindenburgplatz: Paukenschlag im Namensstreit


OB mischt Bürgerentscheid neu auf

Eig. Bericht. Wie aus gut informierten Kreisen durchsickerte, hat der Rat der Stadt Münster in der Namensdebatte um den Hindenburgplatz eine sensationelle Wende vollzogen. Die Umbenennung in „Schlossplatz“ wird nicht länger unterstützt.
Hinter verschlossenen Türen hat der Oberbürgermeister den Rat der Stadt persönlich zu dieser Entscheidung gedrängt: Eine unabhängige Historikerkommission habe nämlich völlig neue wissenschaftliche Erkenntnisse zutage gefördert, die das Schloss in einem gänzlich neuen Licht erscheinen lassen. „Wir können und dürfen das jetzt nicht einfach ignorieren,“ rief der OB den sichtlich verdutzten Ratsmitgliedern zu. Der OB führte dann im einzelnen aus: „Das „Schloss“ gilt nach neuesten Ergebnissen der historischen Forschung als Symbol der Zurschaustellung von Macht und Reichtum. Erbaut unter der rücksichtslosen Ausbeutung der geknechteten Landbevölkerung steht „das Schloss“ als Schandmal von Leibeigenschaft auf der einen und Prunksucht auf der anderen Seite mahnend inmitten der deutschen Kulturlandschaft. Das münstersche Schloss, erbaut für den prunkliebenden Fürstbischof von Münster, reiht sich hier lückenlos ein. Nun frage ich: Wie können wir, die wir uns sozial, demokratisch, christlich, liberal, gar grün und links nennen, wie können wir einem solchen Schandfleck durch öffentliche Ehrung mit dem Namen „Schlossplatz“ eine nachträgliche Legitimation verleihen? Der Imageschaden für die Stadt wäre geradezu immens!
Denn „Schlossplatz“ ehrt ein Symbol des Feudalsystem. Dieses System, so sagen uns die Historiker und belegen es mit erdrückenden Beweisen, war antidemokratisch, monarchistisch, ja im Kern militaristisch. Die Bausteine der Schlösser, auch unseres Schlosses, sind besudelt vom Blut, vom Schweiß und von den Tränen der entrechteten Landbevölkerung. Soweit“, so schloss der OB sein flammendes Plädoyer, „die Erkenntnisse der unabhängigen Historikerkommission“. Dass Fragen der Umwelt- und Klimabelastung beim Schlösserbau unverantwortlicherweise überhaupt keine Rolle spielten und gewerkschaftliche Positionen sowie Fragen des Tarifrechts zudem mit Füßen getreten wurden, füge sich, so der OB mit bewegter Stimme, nahtlos ins Bild. „„Schlossplatz“ geht also auf gar keinen Fall! Wir müssen uns ganz neu aufstellen!“
Abschließend verwies der OB noch auf einen Aspekt, der sich aus unseren gängigen Konnotationen mit dem Begriff „Schloss“ verbindet. „In unserem alltäglichen Sprachgebrauch verweist „Schloss“ auf „Verschluss“. Mit einem Schloss schließen wir ab, wir schließen ein, wir schließen weg. Ein Schloss versperrt. Es ist der greifbare Gegensatz von Offenheit, Toleranz und Weite. Ein Schloss, in welcher Wortbedeutung auch immer“, so schloss der OB mit versiegender Stimme, „hat in der liebenswertesten Stadt unseres Planeten nichts zu suchen. Die doppelte Verwerflichkeit und Niedertracht von „Schloss“ – historisch ein Schandmal, semantisch ein Unwort – rüttelt uns auf! Mit einem Platz dürfen und wollen wir es auf gar keinen Fall ehren! Wir Münsteranerinnen und Münsteraner wissen um unsere Verantwortung für uns und die Nachwelt!“
Ihn freue es über alle Maßen, so ließ der OB am Ende dieser epochalen Ratssitzung noch wissen, dass jenes Gebäude in der Nähe des Botanischen Gartens nunmehr der freie Geist der Wissenschaften, des Dialogs und der Kultur durchwehe. „Zentralmassiv des interkulturellen Dialogs“ nenne er es inzwischen schon insgeheim. Und er könne sich gut vorstellen, dass in diese Richtung sich auch die Suche nach einem geeigneten Namen für den vorgelagerten Platz bewegen werde.
Er schloss mit einem mahnenden Wort aus dem Lande unseres Erzfreundes Frankreich:
Der Geist von Hindenburg und Co
gespenstert heut noch durchs Château.

Nachtrag: Die Initiative „pro Schlossplatz“ war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Initiative „pro Hindenburgplatz“ würdigte den OB als alternativlos für diese Stadt.